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 Die weiße Frau von Dagstuhl

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BeitragThema: Die weiße Frau von Dagstuhl   Die weiße Frau von Dagstuhl Icon_minitimeMi Dez 19, 2007 10:29 pm

Ein Schafhirt, der am Schloßberg zu Dagstuhl seine Herde weidete, wurde oft um Mitternacht durch Klagelieder aufgeschreckt, die aus dem Bereich des nahegelegenen Schlosses kamen. Wenn er daraufhin den Kopf neugierig aus seinem Karren streckte, konnte er in hellen Nächten eine Frauengestalt erkennen, ganz in Weiß gehüllt, die der an das Schloß seitlich angebauten Kapellengruft entstiegen war, behende durch den Schloßpark setzte und sich vor einem Steinkreuz an der Straßenkurve laut weinend niederwarf.

Der Schäfer, der wie alle Hirten ein weiches Herz besaß und daher den Jammer nicht länger zu ertragen meinte, trat eines Nachts beherzt zu der Erscheinung hin, da sie wieder schluchzend vor dem Kreuze lag, und grüßte sie im Namen der allerheiligen Dreifaltigkeit. "Ich kann keine Ruhe finden in der Totengruft", sprach sie leise, "und muß nun hier nächtlich irren, weil ich an dieser Stelle einen Mann ermorden ließ. Du kannst mich erlösen", fuhr sie in freudiger Erregung fort, während es den Alten kalt durchschauerte, "du hast ein mutiges Herz gezeigt. Wenn du mir den goldenen Schlüssel aus dem Froschmaul bringst, - im Schloßbrunnen wohnt der Frosch, um Mitternacht zeigt er sich an der Wasseroberfläche, - dann wird alle Schuld von mir genommen, und es weicht der Fluch. Den Schlüssel mußt du aber schweigend nehmen und schweigend überreichen, sonst ist all dein Tun vergebens, und ich muß weiter tragen Ruhelosigkeit und Schmach." Der Schäfer war bereit, nach ihrem Wunsche zu handeln, und getröstet schied von ihm die weiße Frau.

Als in nächster Nacht vom Turm der Schloßkapelle in schweren, dumpfen Schlägen Mitternacht verkündigt ward, saß der Schäfer, seinem Wort gemäß, am Brunnenrand, willens um alles in der Welt kein Wort zu reden, wenn der Frosch in seine Nähe kam. Mit dem letzten Uhrenschlag teilte sich auch schon das Wasser, und aus ihm stieg das Tier zu ihm herauf, das Maul weit offen, so daß der goldene Schlüssel sichtbar ward. Mutig griff der Schäfer nach dem Wunderkleinod, - als er aber mit dem Maul des Frosches in Berührung kam, blickte ihn das Tier so rätselhaft und eigen an, - mit Augen, groß und feucht, wie Menschenaugen, - daß er erschrak und ihm das Wort entfuhr: "O Gott!"

Gleichzeitig durchfuhr ein Schrei die Nacht - markerschütternd, wie ihn nur tiefstes Elend auszustoßen weiß, und da der Schäfer jäh zusammenfuhr, entfiel der Schlüssel seiner Hand, und der Frosch verschwand damit im Wasser. Vor dem bestürzten Alten aber stand klagend und die Hände ringend die weiße Frau: "Nun muß ich, endlose Jahre durch die Nächte irrend, den Fluch noch weiter tragen, noch reift die Eichel nicht, die den Keim zu jenem Baume in sich birgt, der das Holz zur Wiege meines Retters liefern soll!" Und ihr unseliges Los verwünschend, fing sie an zu stöhnen und zu weinen, daß der Schäfer entsetzt und schreckensbleich in seinen Karren floh.

Ihre Jammerlaute, die das Tal erfüllten bis zum Morgengrauen, ließen ihn jedoch nicht zur Ruhe kommen, und die schauerliche Geisterklage weckte ihn fortan in jeder Nacht, die ihn auf seiner Weidetrift am Schloßberg fand. - Das Schloß Dagstuhl aber war ein Mittelpunkt der Herrschaft gleichen Namens, die der Trierer Kurfürst aus dem ja auch altsaarländischen Hause Sötern im beginnenden 17. Jahrhundert für seine Nepoten mit in's souveräne gehenden Rechten geschaffen und ausgestattet hatte.
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